Wird es immer mehr?
- antinaspringer
- 8. Juni
- 7 Min. Lesezeit
Warum wird es immer mehr?
Wird es immer mehr?
Wem geht es nicht so, jeden Tag gibt es etwas zu erledigen, zu organisieren. Ein Amt anrufen, einen Arzttermin ausmachen oder verschieben, für ein Familienmitglied etwas erledigen. Endlich geschafft, kommt etwas dazwischen und dieses und jenes muss umorganisiert werden, dieser oder jener Mensch benachrichtigt werden, nochmals beim Amt oder Arzt angerufen werden. Dazu kommt, dass die nächste Inspektion des Autos ansteht, der Garten auch schon mal besser aussah und Emails stapeln sich sowieso, privat und beruflich.
War das schon immer so? Oder fällt es mir nur mittlerweile auf, weil ich zu all dem keine Lust mehr habe und es oft als lästige Pflichten in meinem Alltag empfinde?
Ich erinnere mich, dass ich früher, als ich noch vorwiegend Hausfrau und Mutter und nebenbei berufstätig war, unheimlich gerne organisiert habe. Ich würde mich als Organisationstalent bezeichnen.
Ich kommuniziere gerne und habe sofort auf dem Schirm, wer informiert werden muss, wer zusätzlich von einer Änderung erfahren muss, wer diesbezüglich gefragt werden muss und wie das alles in den Familien-verbund oder den Freundeskreis einzuflechten ist. Ein Kinderspiel. Ich wuppte und es fluppte. Es hat richtig Spaß gemacht, ich fühlte mich lebendig und die Ergebnisse waren da. Auch die oft benötige Beharrlichkeit war eher eine Herausforderung denn eine Last.
Und heute? Ich mag das so nicht mehr…liegt es an meinem Alter, an den Wechseljahren, oder was ist da los?

Hat es sich womöglich gar nicht geändert und es gab immer schon so viel zu erledigen, heute wie damals? Ich bin mir da gar nicht so sicher. Meine subjektive Wahrnehmung ist, dass sich vieles verkünstelt und dadurch verkompliziert hat.
Oder bin es tatsächlich nur ich, die mittlerweile anders tickt?
Jedenfalls habe ich überhaupt keine Lust mehr zu der ganzen Kümmerei und bin richtig genervt von all den Dingen, die ich neben meinem beruflichen Leben und dem ganz normalen alltäglichen Aufkommen zu erledigen habe. Dieses und jenes geht schief und muss bedacht werden, den aktuellen Brief des Amtes nicht verstehend muss ich auch dort nachfragen, um nicht mit möglicherweise negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. Natürlich geht zwischendurch auch noch der Fahrradreifen kaputt, vielleicht gleichzeitig noch die Waschmaschine oder der Rasenmäher, und ein Abo, zu schnell am Handy angeklickt, muss auch gekündigt werden. Ach ja, und einen Arzttermin abzusagen, ist heutzutage eine halbe Staatsaffäre. Letztens war ich kurz davor, einen Brief zu verschicken, um den Termin abzusagen, damit ich ihn nicht auch noch bezahlen muss, bis dann doch – nach mehreren Tagen und unendlichen Wahlwiederholungen - mein letzter Versuch der telefonischen Kontaktaufnahme zielführend war.
Ich tausche mich mit einer Freundin aus. Sie sagt ‚Du, das war immer schon so, wir merken es nur mehr‘. Wir sind älter geworden, die Energie geht schneller aus, und ich finde, ich muss mich als Organisations-talent nicht mehr beweisen. Es führte dazu, dass das Umfeld gerne auf mich zurückgriff. Das muss nun auch nicht mehr sein, schließlich ist jeder Mensch selbst-verantwortlich.
Und trotzdem muss sich um das Meiste dieser lästigen Dinge gekümmert werden. Sonst kommt irgendetwas ins Stocken und macht es dann wiederum schwerer.
Ich möchte, dass mein Leben läuft, und ich möchte für mich ‚in der richtigen Spur‘ bleiben. Der Flow soll ungestört weitergehen.
Also raffe ich mich auf. Aber wie gehe ich langfristig damit um?
Gestatte ich es mir, dass ich langsamer geworden bin und mehr Pausen brauche?
Setze ich intelligente Pausen und schiebe das eine oder andere, was nicht die oberste Priorität besitzt, ein wenig auf?
Ertappe ich mich dabei, dass ich das erledige, was mir leichtfällt und die unbequemen Dinge, oder die, die mir schwerfallen, eher vor mir herschiebe?
Gibt es eventuell jemanden, der mir behilflich sein kann und wende ich mich tatsächlich auch an diese Person?
Wie lange bin ich bereit, meine unguten Gefühle, die das in der Schwebe hängende ‚to do‘ bei mir erzeugt, auszuhalten?
Wenn dann endlich die Dinge gelöst werden, ist dies ein Erfolg, der Energie zurückgibt, Erleichterung verschafft und die Hoffnung weckt, dass nun ein bisschen Ruhe einkehrt. Was dann meistens nicht so ist, leider. Also wieder alles von vorne…
Wie kann man nun auf einer inneren Ebene, einer Seelenebene, im Rahmen eines gesunden Mind-sets, damit umgehen?
Ich tue mir keinen Gefallen, wenn ich innere Widerstände aufbaue und in ihnen verharre, wenn ich aggressiv reagiere oder selbstmitleidig herumlaufe. Diese Energie strahle ich nach außen ab, sie kommt beim anderen an und rückwirkend kommt Unschönes zurück.
Besser ist: In Kontakt mit mir sein. Meinen Körper dazu nutzen, mich zu fühlen. Verankert sein in meinem Körper, in meinem Herz- und Bauchraum. Den Verstand da gebrauchen, wo er nötig und es passend ist. Alles andere in den Herz-und Bauchraum absinken lassen und in diesem wunderbaren Refugium wie auf einem Thron sitzend, in mir zu ruhen. Dort hilft mir mein Nervensystem, mich zu fühlen, mich entsprechend auszurichten und Impulse zu bekommen, aufgrund derer ich weiß, was zu tun ist, wann und wie.
Selbstverständlich darf ich Pausen machen, darf ich (auf-)schieben. Selbstverständlich muss ich meine eigene Energie einteilen, die, so ist es nun mal, im Laufe des Lebens weniger geworden ist.
Halt, in Wahrheit ist sie nicht weniger geworden, sondern schlichtweg anders verteilt. Meine Interessen sind auch andere als früher. Ich bin Lebens-weise und klüger geworden. Die Qualität meines Energie-volumens ist gestiegen, wenn auch an mancher Stelle die Quantität vermindert ist. Dem zolle ich Rechnung.
Wie oft habe ich mich schon übernommen. Es hat sich in dem Moment gut und richtig angefühlt. Hinterher stellte sich heraus, dass ich längst über dem Zenit war. Es ist auf mich zurückgekommen und ich war platt. Es erfordert eine langjährige Selbsterfahrung, in der Gegenwart zu spüren, wann ich etwas zu lassen habe, wann ich rauszugehen habe aus einer Tätigkeit, aus einem Energiefeld, aus einer Gruppe oder einem Kontakt. Damit ich mein Energielevel konstant halten kann, obwohl in diesem Moment scheinbar noch alles bestens ist. Ich finde, das wird umso wichtiger, je älter ich werde.
In dem Maße, in dem ich mich spüre, erhalte ich auch immer wieder aktuelle gute Impulse. Diese können auch heute so, und morgen anders sein. Das spricht nicht von Wankelmütigkeit, Unentschlossenheit oder davon, dass ich keine eigene Position beziehe, sondern davon, dass ich in mir verankert bin und erkenne, was gerade jetzt dran ist, auch wenn es gestern anders war und es morgen eventuell auch wieder anders sein wird.
Als Körpertherapeutin habe ich geübt, mich stets im Körper wahrzunehmen. Das ist sehr hilfreich. Trotzdem erlebe ich Situationen, in denen ich aus dem Verstand heraus handle oder Emotionen in mir hochschießen, die ich nicht im Griff habe. Aber – wir dürfen ja zurückblicken, ich darf zurückblicken, mich reflektieren, Altes auflösen und wieder von Neuem beginnen.
Ja, es ist lästig, was in unserer komplexen Welt alles zu tun ist. Vieles davon ist mit Sicherheit unnötig und hausgemacht. Aber so ist es nun einmal.
Hilfreich ist, die Bewertungen darüber, dass das alles zu viel ist, das etwas nicht gut ist, dass ein Mensch mich triggert und so weiter, sein zu lassen. Gedanken, die ich immer wieder im Kopf drehe und wende, beleben und laden sich enorm auf, so dass schnell weitere gedachte Nebenschauplätze entstehen.
Gedanken stoßen Emotionen an. Letztendlich vibriere ich dann in Aggression, Selbstmitleid und eventuell inneren Erstarrungsgefühlen, je nachdem, wie meine eingeheilten Muster gewichtet sind.
Wenn ich aus den Emotionen und wiederkehrenden negativen Gedanken nicht herauskomme, habe ich eine innere Arbeit zu erledigen. Dann kann ich auch DANKE sagen, dass mir das gerade widerfährt, denn so werde ich darauf aufmerksam, dass zu diesem Aspekt meine Seele nach Erleichterung strebt.
Wenn ich das alles schon durchgekaspert habe, wenn ich bereits ganz gut im flow bin, kann ich mich immer wieder selbst achtsam daran erinnern, dass ich nur bei mir zu bleiben habe, mich zu fühlen habe.
Besser noch: ich darf mich fühlen - ich fühle mich - ich liebe es, mich zu fühlen - es ist wunderbar, dass ich mich fühle. Und schon weiß ich, was zu tun ist. Ja, auch wenn es lästig ist. Weil schon wieder ein Amt oder Arzt anzurufen ist, ein Brief zu beantworten ist oder die zehnte Nachfrage für irgendetwas bislang ergebnislos läuft.
Mache ich mich jetzt davon abhängig oder trete ich davon zurück und betrachte das Ganze als Beobachterin?
Die Welt ist ein bisschen verrückt, und ein Stück weit spiele ich mit, ganz heraus nehmen ist meist nicht möglich. Ein großer Anteil meiner Handlungsfähigkeit besteht jedoch darin, dass ich einen Schritt zurücktreten kann, dass ich mich beobachten kann, dass ich die Welt da draußen beobachten kann und für mich entscheiden kann - im Rahmen meiner Vernunft, meiner Intuition, meines Herz- und Bauchbereiches – was, wann und wie zu tun ist.
Wenn ich liebevoll, klar und freundlich mit den Menschen umgehe, die da draußen auf ihrem Platz auch so viel Hektik, Aggression und Druck erleben, ist es im Grunde zu (fast) hundert Prozent so, dass das Gute angenommen wird, sogar dankend angenommen wird und mir der Mensch gegenüber freundlich begegnet, sich im Kontakt sichtlich entspannt. Letztendlich wollen wir doch alle Liebe spüren, Liebe geben und Liebe annehmen, im Kleinen wie im Großen.
Gleichsam kann ich mir pragmatischerweise anschauen, in welchen Spielfeldern ich überall mitspiele und mir öfter die Frage stellen, ob das alles so sein muss?
Ich selbst bin aus vielen Außen-Feldern herausgetreten, und habe mir mein Leben dadurch vereinfacht. Ja, ich lebe in meiner Bubble, aber wer tut das nicht letztendlich? Denn ich bin mein Universum, du bist dein Universum. So ist es nun einmal und so darf es auch sein.
Also, pragmatisch gesehen gibt es bestimmt das eine und andere, was abgesagt, gekündigt oder einfach nicht mehr gemacht werden braucht. Das entscheide ich für mich. Definitiv ist Vereinfachung möglich. Und auch ein sorgsamer Umgang mit dem Smartphone kann zurückerobert werden. Wie schnell ist ein Klick gesetzt und ich habe schon wieder ein Abo gebucht, habe die x-te App auf dem Handy?!
Ich muss nicht alles haben und überall dabei sein, der Verstand bekommt dadurch so unglaublich viel Futter. Besser vertraue ich, dass ich stets Zugang habe zu allem, was für mein Leben förderlich ist.
Und ansonsten ist es wie mit jedem anderen Thema: Sei, was du wirklich bist - ehrlich, authentisch, mit dir selbst im Reinen, nicht bewertend, und dich liebevoll ermunternd, immer mehr die innere Stille zu betreten.
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