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Bin ich eine schlechte Mutter?
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Bin ich eine schlechte Mutter?

Ich bin ein wenig neidisch auf die Mütter und Eltern von heute. Es weht doch ein anderer Zeitgeist

durchs Land, was das Zusammenleben mit Kindern betrifft. Viele Eltern begleiten ihre Kinder liebevoll

und aufmerksam und vor allem findet Kommunikation statt. Kinder sind einbezogen in die Belange der Familie und haben einen Überblick über das Leben von Mama und Papa. Stress und Zeitmangel gibt

es sicherlich hier auch sowie den einen oder anderen unbedachten Moment, doch ist die Ausrichtung

auf das, was für das Heranwachsen der Kinder wichtig ist, eine andere.


Zu ‚meiner Zeit‘ waren diese Haltungen noch nicht allgegenwärtig – oder es war noch nicht bei mir angekommen?! Als ich meine Kinder bekam, hatte ich so einiges unter den Hut zu kriegen. Als Allein-erziehende mit Bürojob, Heilpraktiker-Ausbildung, Tageskind, Pferd und ständiger Geldknappheit

hatte ich oft das Gefühl, eine Hetzjagd durchs Leben zu führen. Mein Adrenalinpegel morgens beim Fertigmachen der Kinder war hoch und nicht nur da. Den Moment leben und völlige Präsenz mit den kids…eher nicht. Wir waren im Sommer viel am See, was mein Lebenselexier war. Hinterm Haus war

direkt das Feld und da hindurch, nach 2 Kilometern mit Fahrrad und Anhänger, kam dann schon der See. Herrlich! Die Ruhe und Selbstverständlichkeit, die ich da empfand, wirkten (hoffentlich) positiv auf

meine Kleinen ein. Mein Tageskind besuchte die European Business School in Haimhausen bei Dachau. Für die Schule war die beste location gerade gut genug und das war und ist das Schloss Haimhausen.

Ein beeindruckender Spielplatz war obligat und davon haben meine Jungs profitiert, wenn wir unser Tageskind nachmittags dort abholten. Viele schöne, andere Momente gab es natürlich außerdem in all

den Jahren.


Kommunikation beziehungsweise das Fehlen derselben ist das Zauberwort meines systemischen Erbes. Damit plagte ich mich mehrere Jahrzehnte lang herum. Und meine eigene Familie blieb davon nicht verschont. Damals war ich noch nicht so weit wie heute und die alten Muster nahmen mir viel Energie. Lange konnte ich sie nicht aufbrechen. Wie in vielen Familien meines Geburtsjahrzehnts (und dem davor und danach) wurde nicht wirklich miteinander gesprochen. Jedenfalls nicht über das Wesentliche, die eigenen Gefühle und Befindlichkeiten. Es gab keine Anleitung, wie an Situationen heranzugehen sein könnte, sondern es wurde vorausgesetzt, dass man es schlicht und einfach gut hinkriegt. Es gab kaum Beistand beim Erleben tiefer Emotionen, denn auch die waren ‚Quatsch‘ und hatten somit sofort wieder weg zu sein. Vorherrschend war das Leistungsprinzip. Als ich mit 20, 21 Jahren den Wunsch äußerte, eine Therapie machen zu wollen, wurde das vehement negativ abgeurteilt. Es war zu dieser Zeit nicht ‚chic‘, zum Therapeuten zu gehen, mitunter war es sogar peinlich, zumal Therapeuten sowieso alle ‚Idioten‘ waren.


Nun gut. Um all das zu verstehen, empfehle ich sehr die Bücher von Sabine Bode: „Kriegskinder-Die vergessene Generation“, „Kriegsenkel-Die Erben der vergessenen Generation“, „Nachkriegskinder: De 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter“. Unsere Eltern waren, so wie wir auch, die Summe ihrer elterlichen Erziehungsweisen, ihrer eigenen Erlebnisse, der Sozialisierung im Allgemeinen sowie der Prägungen des jeweiligen Zeitgeistes. Somit mache ich ihnen keine Vorwürfe. Ich habe an mir gearbeitet, verziehen, tief verstanden und letztlich, und das ist eines meiner Lebensmottos, die Verantwortung auf allen Ebenen für mich übernommen. Alles, was geschieht, dient der Freiwerdung der in jahrtausendalten Auflagerungen gefangenen Seele. Auch wenn es schmerzlich ist, ist es stets das Beste, was uns passiert, denn es schürt die Sehnsucht nach einem anderen, zufriedeneren, sogar glücklicheren innerem Erleben. Es schürt die Sehnsucht danach, die Ängste, Vorbehalte und mentalen Limitierung zu überwinden, die

sich im Laufe des Lebens anhäufen und bemerkbar machen. Auf einem spirituellen Weg, der neben dem wachsenden Verständnis für die Dimensionen in mir und um mich herum bis hin zum Universum eine psycho-emotionale Aufarbeitung, die Zellreinigung durch Körperarbeit und eine Hinwendung zur Achtsamkeit beinhaltet, lösen sich die Schatten der Vergangenheit peu à peu auf.


Ich empfinde es als Gnade des Älterwerdens. Ab der ‚4‘ davor wird es prima, ab der ‚5‘ davor fühle ich mich so gut wie nie zuvor. Und dass, obwohl diverse körperliche Zipperlein dazu gekommen sind. Das große Geschenk ist es, dass ich – und so geht es vielen Menschen ab einem gewissen Alter – in mir ruhiger geworden bin. Ich weiß, was ich will und vor allem, was ich nicht will. Aus vielen Feldern da

draußen bin ich längst ausgestiegen, doch ist mein Leben nicht langweilig oder ereignislos. Ein größeres Einverständnis mit dem Nicht-Perfekt-sein des Körpers und des eigenen Seins lässt mich durchs Leben floaten. Ich höre nicht auf, mich zu beobachten und Einsichten zu haben. Das ist gar nicht möglich, es entspricht meinem Naturell. Also geht es immer weiter auf der Reise zu mir selbst. Dorthin, wo ich

in Wahrheit schon bin und immer war, nur dass ich es vergessen habe und nun den Schlamm der Jahrhunderte durchdringen, durchschauen darf, um meinen Ursprung vollumfänglich zu realisieren.

Wenn nicht in diesem Leben, dann in der nächsten Existenz. Meine Kinder haben mir auf diesem Weg enorm geholfen und mussten dafür einiges an Unklarheit, Lieblosigkeit und Verständnislosigkeit meinerseits einstecken.


Ich habe viele Jahre mit meinem schlechten Gewissen gelebt. Ein ständiger Kampf tobte in mir, dass ich keine gute Mutter bin und das, was ich in meiner Familie verwirklichen wollte – eben die Transformation meiner eigenen, meiner Ursprungsfamilie entstammenden Leidensgeschichte – ist mir nicht oder nur ungenügend gelungen. Der Schmerz darüber war groß und umfasste mich in allen Zellebenen.

Völlig unnötig zu sagen, dass das komplett kontraproduktiv ist. Aber – ich bin da lange, lange nicht rausgekommen. Jede ungute Verhaltensweise eines meiner Kinder, ihre Arbeitshaltung in der Schule, ihre Heimlichkeiten, ihre nur zähe Bereitschaft, mir im Haushalt zu helfen, ihre teils verzögerten Entwicklungsschritte, habe ich auf meine ungenügenden Mutterqualitäten zurückgeführt.


In unserer Patchwork-Situation gab es leider anstrengende Themen zur Genüge. Es gab harte Jahre in finanzieller Hinsicht und die Beziehung zu meinem Mann war ab einem Zeitpunkt und einem ein-schneidenden Erlebnis stark belastet. Neben der Kindererziehung und dem Haushalt, was ich im Wesentlichen allein zu bewältigen hatte, habe ich meinen Beruf aufgebaut. In dieser oder einer ähnlichen Situation befinden sich viele Eltern auch heute. Die komplexen Herausforderungen sind in der jetzigen

Ära nicht kleiner, eher sogar größer geworden.


Trotzdem bekommen es viele Elternpaare bereits gut hin, ihren Kindern Geborgenheit, liebevolle Begleitung, Einbeziehung in einen gemeinsam erlebten Familienalltag und dadurch Präsenz zu schenken. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, deren Schuss manchmal auch nach hinten los geht, wenn den Kindern übermäßig viele Kompetenzen und Freiheiten gestattet werden.


Alle Eltern von bereits größeren Kindern wissen, wie happich es sein kann, die langen Jahre der Pubertät ihrer Kinder zu durchlaufen und manchmal einfach nur irgendwie zu ertragen. Die Pubertät meiner Jungen, die in einem 13monatigen Abstand geboren wurden, startete spät. Dafür haben sie dann kräftig Gas gegeben. Manches Mal stand ich gefühlsmäßig vor einem Abgrund, zerfressen von Sorgen, was ich für Monster und lebensunfähige Wesen herangezogen habe. Auch wenn es sich jetzt witzig liest, es war bestimmt kein Spaß. Eine männliche Bezugsperson fehlte fast gänzlich, was gerade für die Jungen so wichtig gewesen wäre. Ihr Papa war für sie da, auf seine Weise, jedoch durch die Entfernung Reutlingen-München war an eine Struktur nicht zu denken, zumal er sie ihnen so oder so nicht hätte geben können. Ihr Stiefvater fühlte sich für das Familienleben wenig berufen und wollte lieber in den irrealen, großen Welten der Spielmedien sein. Viele Jahre habe ich gegen Dämonen gekämpft, gegen meine und die des familiären Systems.


In der Praxis höre ich immer wieder von Müttern eher älterer Kinder, dass sie ein schlechtes Gewissen haben, weil sie nicht präsent genug sind, weil sie ihre eigenen Probleme zu sehr zeigen und weil Beziehungsproblematiken die Atmosphäre vergiften. Ich fühle mich dann sehr erinnert an meine eigenen Abgründe und fühle mit. Es ist nur zu gut verständlich, dass wir Mütter alles richtig gut machen und unserem Nachwuchs ein wunderbares Leben bieten wollen, so dass sie gestärkt, stabil und gesund in ihr eigenes Leben starten können.


Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass in jeder Generation Fehler gemacht werden. Die Fehler der eigenen Eltern wollen wir möglichst nicht wiederholen. Und doch geschieht dies in einer abgespeckten Form häufig. Kaum selbst Eltern geworden, entdecken wir in uns deutliche Ähnlichkeiten zu den Modellen der eigenen Eltern. Oh weh! Ich empfehle, einiges davon zu begrüßen und den Kampf dagegen aufzugeben.


Gib deiner eigenen Mama den Raum, so zu sein, wie sie war und verstehe ihr eigenes Leid und ihre Prägungen. Nicht alles können wir in uns ändern und transformieren. Da ist es gut, sanft und gütig mit

sich selbst zu sein und die Eigenschaft zu begrüßen und wer weiß, eventuell zeigt sie sich dann

in einem anderen Gesicht?!


Dann gibt es selbstverständlich einiges, was sich ändern lässt oder schon von Haus aus deutlich anderes

in uns angelegt ist. Diese Stärken und Kompetenzen sind nichts Selbstverständliches, sondern ein großes Geschenk, für das wir dankbar sein können! Dadurch geschieht Evolution und Zeitgeiste ändern sich.


Ein drittes Feld sind die dazugewonnen Qualitäten, die durch Auflösung von Altlasten als neue, innere Räume entstehen und die ein Geschenk sind an uns selbst, an die Familie im weitesten Sinne und sogar

an die Menschheit. Unser Licht strahlt ins Universum und leuchtet, wir sehen es nur nicht von hier unten!


Letztlich ist jedes Kind nicht nur ein Produkt seiner Eltern, sondern ein ganz eigenständiges, für sich individuell zusammengesetztes Wesen und der universellen Führung anheimgestellt wie jede und jeder

von uns. Wenn sie erwachsen werden und sind, sind sie aufgefordert, an ihren Themen aus sich selbst heraus zu arbeiten. Wenn du helfen möchtest, dann indem du dich um dich kümmerst und sie dies als Vorbildhaltung in sich aufnehmen können.


Ich möchte jede Frau, die unter ihrem schlechten Gewissen bezüglich der Qualitäten ihrer Mutterschaft leidet, ermutigen, sich diesen Gefühlen zu stellen und sich bei der Erlösung des Schmerzes begleiten zu lassen. Es ist nämlich absolut unnötig, zu leiden. Es bringt schlicht und einfach nichts, außer, dass es der Frau schlecht geht und die Kinder das spüren und es eher als Hebel einsetzen, um die Mutter an der

einen und anderen Stelle für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren.


Kinder wollen starke Eltern. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Klarheit, Reflexion, Präsenz als Fokus. Das bedeutet auch klare Grenzen setzen und Authentizität im eigenen Handeln an den Tag legen. Authentizität setzt voraus, dass ich mich kenne, spüre und mich auf mich verlassen kann. Dass ich die Verantwortung für mich selbst übernehme und wahrheitsgemäß kommuniziere. Ein Versuch, den Kindern etwas vorzumachen oder meine unklaren Ansagen scheinheilig zu verargumentieren, scheitert immer.

Die Kinder wissen genau, was läuft und spüren bewusst oder zumindest unbewusst die Verfassung der Eltern. Kinder lassen es ‚rappeln‘, um die Mamas und Papas aufzurütteln und sie zu einem starken, authentischen Verhalten ihnen gegenüber herauszufordern. Auch negative Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit!


Von meinen Kindern kann ich nun bereits seit einigen Jahren aus ganzem Herzen sagen „es werden Menschen“! Ich bin sehr stolz auf sie, weil sie das sind, was sie sind. Mittlerweile hat sich herausgeschält, dass sie sehr viele meiner Impulse aufgenommen haben und sie umsetzen.

Nach der Trennung von meinem Mann habe ich noch ein paar Jahre mit den bereits erwachsenen Jungen zusammengelebt und konnte, und dafür bin ich mehr als dankbar, noch einige Wunden heilen. Es ist nie zu spät, seinen Kindern mit Hilfe der eigenen Entwicklung zu helfen. Auch zwischen mir und meiner Tochter ist es nach einigen schweren Jahren – ihre Pubertät und Vaterbezogenheit sorgte für viel Trennung zwischen uns – gut geworden. Das Wichtigste, was mir meine Kinder beigebracht haben, ist Geduld, keinen Druck ausüben, da sein, sie in allen Belangen begleiten. Ich habe viel Raum gegeben für ihre eigenen Erfahrungen. Meine Grenzen waren nicht sehr eng gesteckt. In ihrer Kindheit hätte ich das viel konsequenter machen müssen, aber da war ich viel zu oft im Stress und in der hektischen Aktion. In ihrer Jugend ist es mir eigentlich gut gelungen, sie machen zu lassen. Wenn ich dann eine Grenze setzen wollte, hatte ich ihre Bereitschaft dazu, da es eben nicht so häufig vorkam. Ich glaube, das hat sie sehr entspannt. In dem Moment, wo ich sie allesamt an den Küchentisch gebeten habe, war klar, dass nun eine Ein-schränkung zu erwarten ist. Und sie wurde angenommen und befolgt. Ich habe auch ‚schlechtes‘ Essen wie zuckerhaltige Joghurts oder Cerials erlaubt, weil sie stets nach irgendeiner Zeit von selbst darauf kamen, dass sie es nicht mehr wollten. Dies ist bitte nicht als Erziehungsratgebung zu verstehen. Es war die Vorgehensweise, die mir entspricht und wahrscheinlich die Antwort auf meine strenge Mutter, die das Einhalten ihrer vielen Regeln mit Argusaugen bewachte.


Was genau es bewirkte, dass mein schlechtes Gewissen leiser und leiser wurde und heute nicht mehr aufflammt, kann ich nicht auf den Punkt bringen. Es ist die Summe von Vielem. Ich genieße seit fast

zwei Jahrzehnten die Begleitung eines spirituellen Lehrers, dem ich vieles verdanke. Eine Beziehung zwischen Meister und Schüler ist keine Einbahnstraße. Viele, viele Prozesse habe ich durchlaufen,

einige Jahre waren alles andere als ein Zuckerschlecken und immer und immer wieder heißt es, ehrlich, sehr ehrlich zu sich zu sein und tiefe Einsichten zuzulassen. Daneben habe ich an sämtlichen anderen Strippen gezogen und das gemacht, was jede/r von uns machen kann – Psychotherapie und Coaching, Körperarbeit, Kommunikation üben und pflegen sowie tiefen, vertrauensvollen Austausch mit dafür geeigneten Menschen führen.


Als meine Mama mir vor einigen Jahren mit über 80 Jahren sagte, dass sie mit meinem Papa ein stundenlanges Gespräch geführt hat, bei dem alles, aber auch wirklich alles auf den Tisch kam und sie nun einen zweiten Frühling erleben, war ich völlig von den Socken! Steine fielen von meinem Herzen und ich fühlte mich frei! Wie beindruckend, dass auch ein ‚altes‘ Kind noch von der Befreiung der Eltern profitiert! Eine gute Nachricht für uns alle, denn es ist nie zu spät!



In Liebe, Antina



















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